Reisen ist ein Schlüssel zu einer anderen Welt. Dies konnten vier Weltgewandte vom 8.-11. Mai 2025 auf vielfältige Weise erfahren, als sie in Skopje an einer Begegnung zum Thema „FLAIR einer STADT“ mit Projektbeteiligten aus Italien, Ungarn und Mazedonien teilnahmen. Sie erlebten so manche Überraschung beim Abgleich ihrer Wahrnehmung vorab und später vor Ort.





Kontroversen um Geschichte(n)
Es begann mit einem Gang durch verschiedene Stadtteile, die zur Einführung in geschichtspolitische Kontroversen und gelebte Multikulturalität der mazedonischen, albanischen, türkischen, serbischen und Roma-Bevölkerungsgruppen geriet. Heißt es nun Nordmazedonien oder Mazedonien? Die Antwort war klar: „Ihr beleidigt uns, wenn ihr uns als ‚Nordmazedonier‘ ansprecht.“ Also gibt es eine offizielle Bezeichnung und eine, die die Bürger gebrauchen. Und wem ‚gehört‘ der Eroberer Alexander der Große (356-323 v.u.Z.), den Griechen oder den Mazedoniern? Hilft die Unterscheidung in slawische und griechische Mazedonier, um sich Macht- und Identitäts-Gezänk zu ersparen? Und warum heißt der albanisch-türkische Teil von Skopje „Altstadt“, der mazedonische aber „Zentrum“? Wie erleben es Menschen in Skopje, Teil von Gemeinschaft zu sein – in der (Stadt-)Gesellschaft? Die Gäste tauchten in Besonderheiten eines Kulturgemischs ein, das so friedlich wie unspektakulär anmutete. Das schließt gelegentliche Konflikte wie zum Beispiel den Streit um das monumentale christliche Kreuz auf dem Berg vor Skopje 2016 und Debatten um eine wechselhafte Geschichte nicht aus.
Die Projektteilnehmer lauschten den Ausführungen der Partner vom Roma Youth Center, amüsierten sich über die vielen Statuen in der Stadt – nicht wenige erst nach dem Erdbeben von 1963 errichtet – und fragten sich, warum bei ihren Vorab-Recherchen zu Skopje vor allem Alexander der Große und Mutter Teresa aufgefallen waren.
In Vorbereitung auf die Begegnung hatten sie ihre vermuteten Charakteristika von Skopje zusammengetragen und ihnen auf kreative Weise Ausdruck verliehen: in Theaterszenen, Videocasts und Videocollagen. Diese Ergebnisse führten sie jeweils der gesamten Gruppe vor und kamen auf diese Weise über Wahrnehmungen von Wirklichkeit ins Gespräch. Dieser Kontrast hatte den Vorteil, dass er eine größere Aufmerksamkeit für das tatsächliche Skopje ermöglichte.






Inklusion der Kulturen
Ein wahrer Augenöffner und Schlüssel in die Welt von Roma-Communities war dabei der Besuch des Stadtteils Šuto Orizari. Er war nach dem Erdbeben von 1963 für Roma gebaut worden. Die Projektpartner, alle selbst Roma zwischen 22 und 35 Jahren, berichteten, dass der Bürgermeister des Stadtteils selbst ein Rom ist, die Roma neben anderen Bevölkerungsgruppen in der Verfassung Nordmazedoniens genannt sind (einmalig in Europa), die meisten von ihnen muslimischen Glaubens sind, sehr viele Roma in Skopje Deutsch sprechen und auch für deutsche Unternehmen (oft in Call-Centern) arbeiten. Sie heiraten in der Regel sehr früh, weil die ‚Jungfräulichkeit‘ der Frau noch einen hohen Stellenwert hat.
Die Gruppe flanierte über einen größeren Basar, bei dem Kleinhändler ihre verschiedenen Waren feilboten. Der Weg war von Roma-Fahnen gesäumt, und die Menschen wirkten so selbstbewusst wie menschenfreundlich. Es hatte den Anschein, dass in Skopje die (strukturelle) Diskriminierung von Roma, wie sie in anderen osteuropäischen Ländern beobachtet werden kann, weniger ausgeprägt ist. Roma sind Teil eines kulturellen und staatlichen Gefüges, in dem verschiedene Gruppen ihren Platz haben.
Die Projektbeteiligten tauschten sich über ihre Eindrücke aus: Den Italienerinnen wurde gewahr, dass sie offenbar einige Vorurteile gegenüber Roma übernommen haben. Diese können tief ‚sitzen‘, auch wenn man dies nicht will. Eine der Ungarinnen wiederum macht Soziodrama-Arbeit mit Roma im Osten des Landes und befand die Situation in Mazedonien als deutlich entspannter. Die rechtlich verbürgte Gleichheit, Möglichkeiten der Erwerbsarbeit und eine offenbar geringere Diskriminierung als in anderen Ländern geben Anregungen für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Prägungen – auch wenn dafür noch viel zu tun ist.
Ausstellung und Performance
Es war auch bei dieser europäischen Begegnung faszinierend zu sehen, wie Formen des non-formalen und informellen Lernens Impulse geben können – langlebige, weil über das Treffen hinaus. Dem diente auch die Arbeit an den beiden Projektergebnissen, der Foto-Ausstellung und der gemeinsamen Performance. Für beides entwickelten die Teilnehmer vier Schlüsselbegriffe zum Themenfeld STADT, auf die sie ihre Aufmerksamkeit lenken werden:
1/ Gleichheit zwischen verschiedenen (kulturellen) Communities, Entwicklung von Kiezen bzw. Stadtteilen,
2/ Herausforderungen zwischen Tradition und Moderne einschließlich der Ambivalenzen von Tourismus,
3/ Vorurteile und wie man sie überwinden kann,
4/ Soziale Inklusion in der Ambivalenz einer Freiheit von sozialer Kontrolle und der Überwindung von Vereinsamung.
Die Beteiligten sind selbst gespannt auf die Ergebnisse. Sie werden sie Ende September 2025 in Berlin öffentlich vorstellen.


