Geschichten zu Frieden und Krieg: Am Abend des 11. September 2024 fand in der Bibliothek Heinrich von Kleist mal keine Lesung statt. Es wurde gespielt – Theater. „Menschen wie du und ich“ haben ihre Erfahrungen in Szene gesetzt. Die Resonanz war beeindruckend positiv. Manche der 45 Zuschauer /innen waren regelrecht ergriffen.
Im Rahmen des Projekts „STIMM_BILDUNG. Mitbestimmung und Mitwirkung im europäischen Horizont“ haben Interessent/innen verschiedene Facetten der Verständigung zwischen den Ländern Europas nach dem Zweiten Weltkrieg kennen gelernt und nach Möglichkeiten der Mitbestimmung als Bürger/innen gefragt. Ihre Eindrücke haben sie mit ihren persönlichen Erfahrungen verknüpft – und den Horizont auf den Nahen Osten hin erweitert, von denen einige von ihnen kommen.
Und so fanden sich die Zuschauer/innen in einer Bahnhofskneipe wieder, in der ein Kommen und Gehen stattfindet; die Gäste gelegentlich in Kontakt kommen und sich einfache Fragen stellen: „Kommst Du aus Berlin?“, „Wie bist Du einst nach Berlin gekommen?“ „Sind wir hier in Sicherheit?“ Ein Teilnehmer holt weiter aus und ‚erzählt‘ mit viel schauspielerischem Talent, ausdrucksstark und ohne Worte von seinem guten Leben als Geschäftsmann in Damaskus, wie der Krieg hereinbricht und die Gewalt ihn paralysiert; wie er flieht und welchen Schrecken er dabei begegnet, schließlich von seiner Ankunft in Berlin und ersten, durchaus positiven Erfahrungen mit dem JobCenter. Wieder in der Bahnhofskneipe, tauschen sich die Gäste an einem der Tische über das Gesehene aus…
Der Beifall war kräftig, die Reaktionen aus dem Publikum kamen prompt. Eine Dame hatte als Kind den Krieg erlebt und äußerte ein leidenschaftliches Plädoyer für Frieden. Ein Zuschauer meinte: „Das Stück ist ergreifend.“ Ein anderer sagte: „Die Szenen sind authentisch und berühren mehr als all die Nachrichten, die wir in ihren Ausmaßen nicht verstehen können.“ Mehrere meinten, dass die Botschaft überzeuge, gerade weil keine professionellen Schauspieler sie darstelle. Eine Dame zeigte sich erfreut, einmal etwas über die Vorgeschichte von Geflüchteten erfahren zu haben. „Sie hatten ja ein ganz normales Leben.“ Mehrere der Zuschauer schlugen vor, die Szenen auch an anderen Orten zu zeigen. Auch von den nicht wenigen jungen Menschen, die in nahe gelegenen Unterkünften für Geflüchtete leben, kam viel Anerkennung – im späteren, persönlichen Austausch bei kleinen Gaumenfreuden.
Der Abend sensibilisierte einmal mehr für die Folgen von Krieg und Gewalt. Das Theater machte es möglich, sie zu artikulieren und darüber zu reden. Das in einer Zeit, in der der Krieg nicht mehr in weiter Ferne vermutet wird, es aber eine Scheu gibt, darüber offen zu sprechen. Paradox. Die Szenen eröffneten außerdem ungewöhnliche Perspektiven auf den Kontinent aus der Sicht von Geflüchteten / Zugewanderten und halfen so, Unkenntnis und Vorurteile abzubauen. Der Abend hätte daher europäischer kaum sein können.
Das Projekt wurde von der abriporta Stiftung gefördert.