Kultur+Austausch im Collegium Hungaricum Berlin: Das Haus verströmt Bauhaus-Atmosphäre; ein Ort, in dem man sich auf Anhieb wohlfühlt. Das spürten auch die Teilnehmer/innen des Projekts STIMM_BILDUNG, als sie am 15.Mai 24 mit der Leiterin Dr. Márta Nagy und ihrem Assistenten Gergő Kovács sprachen.
Bauhaus und l’art pour l’art
Es begann mit einer Führung durch das Gebäude mit den sieben Ebenen. Frau Nagy machte auf die zahlreichen ungarischen Bauhaus-Studenten und -Lehrer aufmerksam, unter ihnen László Moholy-Nagy und Andor Weininger. Die Ausstellung „Innenräume“ in der ersten Etage hatte etwas von einer charmanten Provokation. Die Objekte lassen schnell an Gebrauchsdesign denken. Doch der Stuhl, der ans Schunkeln auf der Luftmatratze in den Gewässern des Balaton erinnert, ist gerade nicht zum Gebrauch gedacht. Auch nicht der Hocker, der auf den ersten Blick Anleihen an das Denkmal für Jean Sibelius in Helsinki erkennen lässt, oder die wollenen Baby-Tragetaschen. L’art pour l’art ist angesagt, und dieses Spiel von Kunst und Zweck wirft u.a. die Frage auf: Wie viel Kunst ist in meinem Leben (noch) gegenwärtig?
Eine einhundertjährige Geschichte
Die Gruppe wurde dann zu einem Tisch gelenkt, auf dem Postkarten des Collegium Hungaricum Berlin auslagen. Jede/r konnte eine oder mehrere auswählen. Im Gespräch im großen Veranstaltungssaal ging Frau Dr. Nagy anhand der Karten auf Begebenheiten in der einhundertjährigen Geschichte des CHB ein. Die Teilnehmer/innen lernten mit ihr eine Leiterin kennen, die zugewandt, aber unaufdringlich, kompetent und doch unprätentiös wirkte. Dies fügte sich zu der angenehmen Atmosphäre, die das Haus ausstrahlte. Und mit ihrem um eine Generation jüngeren Assistenten wurden einige weitere Aspekte deutlich. Zur Sprache kam auch die Rolle des Ungarischen Kulturinstituts in der DDR als einem Ort, an dem freier gedacht und gesprochen wurde als dies in der offiziellen Öffentlichkeit der DDR der Fall war. Das Ungarn-Institut war wohl immer ein besonderer Ort.
Medienparadox
Und dann öffnete eine Frage hin zur aktuellen Wahrnehmung von Ungarn. Die Politik der ungarischen Regierung unterscheide sich in einigen Aspekten (Außenpolitik, Migrationspolitik u.a.) von der in „Brüssel“ bzw. den anderen Regierungen der EU. Galt Ungarn als „lustigste Baracke im Kommunismus“, so werde das Land inzwischen häufig negativ gesehen. Spüren dies die Mitarbeiter/innen des CHB? Die Antwort war ein klares „ja“ – und ein Verweis auf die Medien. Es dominiere derzeit ein negativer Grundton. Differenzierungen, vielschichtige Perspektiven auf Ungarn fehlten. Dadurch sinke das Interesse an Kultur, Land und Menschen. Besonders Jüngere hätten kaum Kenntnisse und wären wenig dafür aufgeschlossen, dies zu ändern. Was über Medien transportiert werde, so ein Einwurf aus der Gruppe, erzeuge oftmals das Gefühl, nun genügend über das jeweilige Thema zu wissen. Eine Art Sättigung statt einer Anstiftung zu Neugier. Medien hätten eigentlich wie Mediatoren zu wirken, Brücken zu schlagen, zu vermitteln. Statt dessen würden sie eher Entfremdung erzeugen.
Persönlicher Kontakt
Das reale, persönliche Gespräch, der Austausch, das Kennenlernen von „O-Tönen“ in Literatur, Theater, Musik, Bildender Kunst und Kenntnisse über die Geschichte des Landes, all das wurde daher als Möglichkeit gesehen, den Horizont füreinander zu öffnen.
„Die Vertrautheit mit Europa hat zugenommen.“ „Neu war für mich, dass viele Ungarn Bauhäusler waren.“ Zwei der Rückmeldungen, die die Teilnehmer/innen im Nachklang zum Gespräch gaben.
Beitragsbilder: Judit Kárász: Porträt Otti Berger mit der Fassade des Bauhaus-Gebäudes Dessau, 1931-1932, Foto: Bauhaus-Archiv Berlin | © VG Bildkunst